Brief an Bischof
Lieber Bischof Rudolf,
seit meinem Amtsantritt sind Sie dreimal in der Pfarreiengemeinschaft Stallwang-Wetzelsberg-Loitzendorf gewesen: Beim Pastoralbesuch in Stallwang, beim Vortrag über Fritz Gerlach im Loitzendorf und zuletzt bei der Einweihung des Pfarrheimes in Wetzelsberg am 8. November 2020. Es freut mich, dass Sie so eifrig in die Diözese hinausgehen und den Kontakt zu den Gläubigen suchen. Das wäre auch schön, wenn manche Pfarrer in der kleineren Einheit Pfarreiengemeinschaft Ihrem Beispiel folgen würden und regelmäßig Haus-, Krankenhaus- und Altenheimbesuche in ihren Kalender fest einplanen würden. In der Priesterausbildung müsste unbedingt mit jedem Weihekandidaten die Schwerpunkte der Seelsorge besprochen werden. Es genügt nicht, Sakramente zu spenden, am Altar stehen, im Pfarrhaus sitzen und warten bis die Leute kommen. Der Seelsorger muss auf die Menschen zugehen, sie ins Herz schließen, und versuchen sie in ihrer Situation zu verstehen, ihnen zuhören und für sie wie ein Hirte für seine Herde immer da sein. Viele Pfarrer sind nicht erreichbar oder nur über die Mesnerin oder eine andere Person aus der Pfarrei. In Zeiten von Handy und Smartphone dürfte das doch kein Problem sein, direkt mit dem Seelsorger Kontakt aufzunehmen. Ohne Seelsorge, die Sorge um den Einzelnen brauchen sich die Pfarrer nicht wundern, dass die Kirchen leerer werden.
Es macht mir Sorge, dass immer weniger Priester in immer größeren Seelsorgeeinheiten eingesetzt werden und durch steigende Verwaltungsaufgaben zur eigentlichen Seelsorge gar nicht kommen.
Was ist dagegen zu machen?
Mehr ausländische Priester? Sicher sind sie eine große Hilfe und viele machen eine gute Arbeit, oft besser als mancher einheimischer Pfarrer, der bereits resigniert hat und kein Feuer für das Evangelium entzünden kann, weil er selbst ausgebrannt ist.
Es gibt aber auch ausländische Priester, die sich mit der Sprache, mit der bayerischen Mentalität und mit einer guten Seelsorgearbeit schwer tun. Es bringt nichts, wenn jemand aus dem Internet eine Predigt unverständlich vorliest. Das könnte ein Pfarrgemeinderatsmitglied ganz gewiss besser.
Unsere Priesterseminare werden leerer, es fehlt an Nachwuchs. Sie haben einmal gesagt „Zum Priester beruft der Herr selbst, nicht wir. Aber wir können mithelfen, Rahmenbedingungen zu schaffen. An uns ist es, den Weg zur Annahme einer Berufung zu erleichtern, aber wir können ihn auch erschweren“.
Ich glaube, die Kirche hätte die Möglichkeit Rahmenbedingungen zu schaffen, dass wir mehr Seelsorger hätten und nicht Sakramentenverwalter. Für mich sind die Rahmenbedingungen zu hinterfragen. So lange die Kirche am Zölibat und am männlichen Geschlecht sich festklammert ist sie mitschuldig, dass nicht genügend für die Seelsorge da sind und dass der Wille Jesus: „Tut dies zu meinem Gedächtnis“ in guter Weise erfüllt wird. Wenn das Zölibat von der Priesterberufung gelöst wird, gewinnt es an Strahlkraft und wird überzeugend. Das Zölibat ist eine Gnade Gottes und kann nur freiwillig ohne irgendeine Vorbedingung angenommen und gelebt werden. Schön, wenn jemand diese Gnade hat, aber Gnade sollte keine Rahmenbedingung für den Priesterberuf sein.
Und was spricht gegen das Frauenpriestertum? Sie sagen die zwölf Apostel waren Männer. Warum hat Jesus nur Männer zu seinem engsten Kreis gewählt? Können Sie sich vorstellen, dass Jesus Frauen, die fast alle verheiratet waren, von den Kindern weggeholt hätte, um sie allein zu lassen. Da hatte Jesus die Kinder und die mütterliche Fürsorge mehr im Blick. Frauen hatten zurzeit Jesu wie auch heute noch in vielen Ländern kein besonderes Ansehen. Und selbst die Apostel bildeten da keine Ausnahme: „Als sie hörten, er lebe und sei von ihnen gesehen worden, glaubten sie es nicht“ (Mk 16,11). Und können Sie sich vorstellen, dass Frauen zur damaligen Zeit allein schutzlos in die Welt hinausgesandt worden wären.
Die Frauen hatten es in einer von Männern bestimmten Welt schwerer, in der die Frauen weniger wert und weniger Rechte hatten.Kann die Kirche in einer aufgeklärten Welt es sich leisten, die Frauen weiterhin zu benachteiligen und sie nicht gleichwertig und gleichberechtigt anzusehen.Gott hat doch den Menschen als sein „Abbild geschaffen, als Mann und Frau schuf er sie“ (Gen 1,22) und „Gott sah alles an, was er gemacht hatte: Es war sehr gut“ (Gen 1,31).
Ich glaube für Gott ist nicht wichtig, ob Mann oder Frau, er liebt beide und sieht beide gleichwertig an. Für die Seelsorge ist für mich nicht das Geschlecht und verheiratet und unverheiratet wichtig.
Paulus schreibt im Galaterbrief: „Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht Mann und Frau; denn ihr alle seid einer in Christus“ (Gal 3,28). In der Fußnote der Einheitsübersetzung steht „das heißt, dass sie vor Gott gleich sind“.
Voraussetzung für den Priesterberuf sollte nicht sein, Mann und verheiratet, sondern wer ist geeignet für die Seelsorge, wer erfüllt die Hirtenaufgabe gut, wer ist ein spiritueller Mensch, wer ist eine reife Persönlichkeit, wer ist echt und authentisch, wer brennt für das Evangelium und ist überzeugend, wer hat ein gutes theologisches Fundament, wer steht auf dem II. Vatikanum, wer hat eine große Liebe zu den Menschen und geht auf sie zu.
Was ist wichtiger: Das Geschlecht oder eine gute Eignung für den Priesterberuf?
Wie klein und eng denken wir von Gott, wenn wir die Berufungen zum Priesteramt so einschränken. Ich denke, Gott kommt es nicht auf das Geschlecht an, sondern auf das Herz, auf die Liebe und auf einen Glauben, der überzeugt gelebt und weitergegeben wird.
Da gibt es genügend Frauen, die das besser können als manche „Söldner und Tagelöhner“, bei denen kein Feuer brennt und die nur ihren „Job“ machen. Ist es nicht so, dass vor allem die Frauen und Mütter den Glauben weitergeben. Eines ist ganz sicher, dass es in der Kirche wesentlich weniger Missbrauchsfälle gegeben hätte, wenn Frauen Priesterinnen gewesen wären.
Die Austrittswelle nimmt an Fahrt auf. Ich möchte nicht in der Haut derer stehen, die das zu verantworten haben.
Jesus ruft uns immer auf: Umzudenken, umzukehren. Es ist nicht gut, nur in eine Richtung zu denken. Schauen wir doch einmal ohne Vorurteile die andere Richtung an und lassen die Argumente der Gegenseite in uns arbeiten, ohne sie gleich abzuwürgen: Das war so, das ist so, das wird immer so bleiben! Wir beide wollen, dass der Glaube lebt und viele gern in der Kirche sind. Darum müssen wir alles tun, dass dies möglich wird. Augenblicklich verliert die Kirche an Ansehen und Glaubwürdigkeit. Geht sie vielleicht doch den falschen Weg?
Ich leide zurzeit an der Kirche, aber ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass die Kirche bereit ist, nicht nur über Reformen zu reden, sondern sie endlich umzusetzen. Eine Kirche, die den Grundsatz „Ecclesia semper reformanda“ nicht auf ihrer Agenda hat, nimmt großen Schaden in Kauf.
In Ihrem Fastenhirtenwort haben sie geschrieben: „Die Klage ist eine angemessene und menschliche Reaktion auf eine Bedrängnis, die schwer auf uns lastet. Erst wenn wir sie zugelassen und uns von der Seele geschrien haben, können wir vielleicht einen Schritt weiter gehen“.
Ich habe diesen Brief aus Sorge um die Kirche geschrieben, habe meine Klage vorgebracht und ich hoffe, dass Sie diese Klage wohlwollend zulassen. Wenn ich bei Kirchenaustritten die Leute besuche (Gott sei Dank sind es in unserer Pfarreiengemeinschaft nicht viele), so muss ich mir die Klagen anhören (Missbrauch, Zölibat, Benachteiligung der Frauen, usw.). Ich kann diese Verärgerung durchaus verstehen. Den Ausgetretenen sage ich, dass ich sie achte und mag und dass meine Türen immer offen sind für sie.
Eines sollten Sie wissen, ich habe nichts gegen Sie, ich schätze vieles an Ihnen, aber ich tue mich mit manchen Einstellungen von Ihnen schwer. Es wäre schön, dass Sie als Wissenschaftler ganz unvoreingenommen (ohne dass das Urteil vorher schon feststeht) die Zulassung zum Priesteramt neu überdenken.
Mit freundlichen Grüßen
Pfarrer Werner Gallmeier
PS: In der Zeitschrift „Christ in der Gegenwart“ vom 14.03.2021 steht folgendes Zitat vom Religionsphilosophen Tomas Hallik: „Die Kirche hat wichtige Momente, den kairós, schon zu oft verspielt. Im 19. Jahrhundert hat sie die Arbeiterklasse verloren; viele Intellektuelle durch ihren einseitigen Antimodernismus; die Jugend in den 1960er Jahren durch die panische Reaktion auf die ‚sexuelle Revolution‘. Jetzt sehe ich die Gefahr, die Frauen zu verlieren“.
Diese Gefahr sehe ich auch. Legen wir doch nicht so viel Wert auf das Geschlecht, sondern mehr auf das Herz und auf die, die am besten die Frohe Botschaft lehren und leben können.
Antwort aus dem Ordinariat am 28. März 2021, 14:09 Uhr:
Sehr geehrter Herr Pfarrer, lieber Mitbruder,
Dein oben genanntes Schreiben ist am 22. März 2021 im Bischöflichen Sekretariat Regensburg eingegangen. Bischof Rudolf hat Deine Zeilen aufmerksam gelesen und dankt für die offene Rückmeldung. Gesegnete Kar- und Ostertage wünscht Michael Dreßel.
Ist Gott parteiisch?
Eines ist sicher: Gott liebt alle Menschen. Er hat alle Menschen gewollt und ist nicht parteiisch. Es ist nicht in seinem Sinn, wenn ER angerufen wird, um für eine Partei sich einzusetzen oder dass der oder die gewinnt. Gott hält sich da heraus, vor allem wenn er sich gegen jemand einsetzen soll. Das widerspricht seinem Wesen. Gott achtet den freien Willen des Menschen. Ein gutes Gebet ist immer wenn wir beten „dein Wille geschehe“.
Übrigens soll bei unserem Gebet stets Gott im Mittelpunkt sein und nicht Maria. Jesus sagt: „Kommt alle zu mir!“ Er sagt nicht, kommt zu Maria!
Er steht im Mittelpunkt, nicht Maria.
Maria ist eine großartige Frau, die sich ganz Gott zur Verfügung stellt und seinen Willen erfüllt. Darin ist sie uns ein Vorbild.
Es ist nicht in ihrem Sinn, wenn sie mehr verehrt wird als Jesus. Er ist unser Herr und Gott und Maria ist keine Göttin, sie hat sich ganz in den Dienst Gottes gestellt und weist immer wieder auf ihren Sohn hin: „Tut, was er euch sagt“.
Und Jesu Botschaft ist: „Liebt einander, verzeiht, seid nicht nachtragend, habt keine Feindschaft, seid barmherzig und urteilt nicht über andere!“
Ich wünsche euch Gottes Segen, gute Gebete und viel Vertrauen zu Gott.
Euer Pfarrer Werner Gallmeier